Licht & Auge

Lichtwahrnehmung und circadiane Steuerung de Organismus

Wir betrachten das Auge meist unter dem Gesichtspunkt einer Kamera mit der wir uns in unserer Umwelt orientieren. Die Evolution hat aber die Biologie unseres Daseins mit Hilfe des Auges an die stetig wiederkehrenden Zyklen unseres Lebens auf dem Planeten Erde und dessen Planetenbahn um die Sonne mit den damit verbundenen Jahreszeiten angepasst. Das Auge ist unser wichtiger Sensor der den Takt unserer zyklisch ablaufenden Tag-und Nachtaktivitäten.  Es wundert nicht, dass praktisch alle Daseinsformen incl. der Pflanzenwelt ihre Lebensprozesse an das strahlungsintensivste Wellenspektrum der Sonne angepasst haben, in unserem Fall das sichtbare Licht mit seinem Frequenzband von 380nm (ultraviolett) bis 780nm (infrarot). Die von den Augen ins Gehirn führenden Sehnerven umlagern an der Sehnervenkreuzung die Hypophyse, eines wichtigsten Steuerungszentren (z.B. nucleus suprachiasmaticus) unseres Hormonstoffwechsels.  Hier werden die Freisetzungs-Hormone (releasing hormones) für die Sexualhormone, das Schilddrüsenhormon, das Wachstumshormon oder auch das Schlaf- und Pigmentierungsfördernde Hormon Melatonin gebildet.

Die zivilisatorischen Veränderungen unserer Umweltbedingungen mit der ständigen Verfügbarkeit künstlichen Lichtes greifen über den Sensor des Lichtorgans in den Tag- Nacht-Rhythmus ein. Beispielsweise war vor ungefähr 100 Jahren die durchschnittlich geschätzte Schlafzeit des Menschen ca. 9 Stunden, während es heutzutage nur noch ca. 7,3 Stunden sind. Vor 100 Jahren war die Kerze mit seinem energieschwachen und ins rötliche gehende Lichtspektrum (Farbtemperatur ca. 1500 Kelvin) durchaus noch häufiges Beleuchtungsmedium in den Abendstunden. Heute umgibt sich die Industriegesellschaft mit einer Art „Licht-Smog“ und mit der Verlängerung der Tageszeit durch Kunstlicht. Bis spät in die die Nacht sitzt der Mensch oft noch vor den LED beleuchteten Flachbildschirmen (Farbtemperatur ca. 4000 Kelvin) der Computer und exponiert das Gehirn mit hochfrequentes energiereichem Licht mit hohem Blaulichtanteil, welches in freier Natur nur beim Höchststand der Sonne zur Verfügung steht. Die Wissenschaft hat gesicherte Anhaltspunkte, dass das Auge unter dem Einfluss des Lichtes wächst und erklärt damit, dass dies einer der Umweltfaktoren ist, der die weltweite Zunahme der Kurzsichtigkeit erklärt. Naturvölker die fernab der Zivilisation wohnen sind in der Regel wesentlich normalsichtiger (emmetroper). Achslängenwachstum bedeutet in der Regel Zunahme der Kurzsichtigkeit. Die Verlängerung der Tagesaktivität durch den Einfluss des künstlichen hochfrequenten Lichtes führt aus hormoneller Sicht gesehen zur Unterdrückung des Schlafhormons Melatonin. Dies wird von der Wissenschaft auch als Mitursache für sich die zunehmenden Schlafstörungen der hochentwickelten Industriegesellschaft gedeutet.

Aktuelle Forschungsarbeiten (s.u) weisen darauf hin, dass insbesondere der Blaulicht-Anteil mit dem Frequenzmaximum um 460nm ist die innere Uhr der Lebewesen über die Unterdrückung des Schlafhormons Melatonin taktet. Offensichtlich ist es das hochfrequente Blaulicht des Himmels das dem Gehirn seit der Evolution den Grundtonus „Tag“ vermittelt.

Das Melatonin-Rezeptorensystem ist ein von der Farb- und Formen unabhängiges System der intraretinalen Ganglienzellen der Lichtwahrnehmung, ein entwicklungsgeschichtliches Rudiment der Sinneswahrnehmung, welches den Menschen mit niedrig entwickelten Lebensformen verbindet. Bei gewissen Rezeptoren-Erkrankungen des Auges kann diese Sinneswahrnehmung durchaus noch als letztes Element der Tag-Nachtregulation noch funktionieren, selbst wenn die übrigen Sehfunktionen nicht mehr intakt sind. Dieser Umstand erklärt, warum manche Binde durchaus angeben können ob Tag oder Nacht ist, obwohl sie faktisch blind sind. Hieraus ergeben sich therapeutische oder Hilfmittel-ähnliche Anwendungen, die es Patienten mit Rezeptoren-Erkrankungen genetischer oder erworbener Art ermöglichen am Alltagsleben besser teilzunehmen. Medizindiagnostisch kann die frequenzabhängige Lichtsteuerung als Technik eingesetzt werden, um diese Sinnessystem auf seine Funktionsfähigkeit zu testen. Therapeutisch wird diese im 460nm Frequenzband des Lichtspektrums liegende therapeutische Lichtquelle dafür sorgen, bei einigen Blinden die veränderten circadianen Hormonzyklen der sehenden Normalbevölkerung anzupassen.

Die Blaulicht-abhängige Taktung des zirkadianen Rhythmus mit seinem Einfluss auf die Melatonin-Bildung führt unweigerlich auch zu Konsequenzen bei Menschen, die sich im Luftverkehr schnell zwischen Zeitzonen bewegen und in besonderem Masse dem sog. „Jet-Lag“ ausgesetzt sind. Auch Menschen, die sich zu späten Nachstunden dem hochfrequenten Licht der Computerbildschirme aussetzen, laufen Gefahr damit nachhaltig in ihren circadianen Hormonstoffwechsel einzugreifen. Das gehäufte Auftreten von hormonabhängigen Tumoren wie Prostata- oder Mamma-Karzinom wird von der Wissenschaft diesen veränderten Umweltfaktoren der Industriegesellschaft als einer der möglichen Einflussfaktoren zugeordnet.

Die Zunahme von Depressionen in den skandinavischen Ländern wird mit der Abnahme des Tageslichtes in Verbindung gebracht. Als Therapie bei der Behandlung der sog. „Winter-Depression“ oder „winter blues“ wird die sog. Lichttherapie als etablierte und wirksame Methode eingesetzt.

Aufgrund der sehr guten Energieausbeute der LEDs werden insbesondere aus Gründen der Energiewirtschaft die LEDs auf breiter Front in der Zukunft herkömmliche Leuchtmittel ersetzen. Herkömmliche Leuchtmittel haben ein fest definiertes Wellenspektrum, welche sie über den ganzen Tagesverlauf kontinuierlich abgeben und welches in der Regel nur hinsichtlich seiner Strahlungsintensität eingestellt („gedimmt“) wird. LEDs lassen sich so in ihrem spezifischen Wellenbereich kombinieren, dass der circadiane Wellenfrequenzbereich des Tageslichts imitiert werden kann.

Wichtig für unsere Augenlaser-Patienten:

Die Ultraviolette Strahlung des Excimer-Lasers im Rahmen der während der Augenlaserbehandlung zur Beseitigung der Fehlsichtigkeit wird von dem Patienten nicht wahrgenommen, da sie in der Hornhaut fast komplett herausgefiltert wird und für die verbliebene Reststrahlung ohnehin keine sensiblen Fotorezeptoren zur Verfügung stehen.

„Rot-Warme“ Lichtfarben mit niedriger Kelvinzahl herrschen bei Sonnenaufgang und Sonnenuntergang vor und steuert das Erwachen und Einschlafen von Fauna und Flora. „Weiss-Kalte“ Lichtfarben mit hoher Kelvinzahl herrschen bei hohem Sonnenstand vor, erzeugen harte Kontraste und erleichtern die Bilderkennung indem sie am Auge eine natürlich engen Eintrittspupille erzeugen. Der Effekt der sog. „Lochblende“ macht die aktive Einstellungsarbeit des Auges („Akkomodation“) de facto überflüssig, da ein Zustand hoher Schärfentiefe erzeugt wird. Dieser Zustand kommt der Arbeit am Bildschirmarbeitsplatz optimal entgegen, da er auch die Konzentrationsfähigkeit optimal beeinflusst und die Akkomodation (Naheinstellung) entastet. Auf hormoneller Ebene ist in diesem Zustand die Ausschüttung des Schafhormons Melanotonin maximal unterdrückt d.h. der Organismus ist „hell“wach. Neben der Farben und Formenerkennung des Zapfen (Farberkennung) und Stäbchensystems (Schwarz-Weiss-Wahrnehmung) der Netzhaut gibt es ein entwicklungsgeschichtlich viel älteres System der Lichterkennung, welches den Blaulichtsensiblen Farbstoff „Melanopsin“ (max. Absorption bei 460nm) der sog. „Ganglionzellen“ der Netzhaut involviert und die innere Zentraluhr des Gehirns und damit den Tag/Nachtrhythmus steuert.

Definition „ Helligkeit“

http://de.wikipedia.org/wiki/Helligkeit

(accessed 24.1.2014)

http://de.wikipedia.org/wiki/Lumen_%28Einheit%29

(accessed 24.1.2014)

Definition „V-Lambda-Kurve“

http://de.wikipedia.org/wiki/V-Lambda-Kurve

(accessed 24.1.2014)

Hellempfindlichkeitskurven:

Tagsehen (rot) im Vergleich zum Nachtsehen (blau)

Erweiterte Literatur:

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Conf Proc IEEE Eng Med Biol Soc. 2013 Jul;2013:1704-7. doi: 10.1109/EMBC.2013.6609847.Effects of LED-backlit computer screen and emotional selfregulation on human melatonin production. Sroykham W, Wongsawat Y.

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